Beim jüngst veröffentlichten Ranking des F.A.Z.-Instituts hat die Herzchirurgie des Sana-Herzzentrums Cottbus erneut volle Punktzahl erreicht. Die Klinik selbst landete unter den Top 3. Gibt es ein Geheimrezept für den Erfolg?
Auf der Suche nach den Zutaten für dieses Rezept treffen wir zunächst den Geschäftsführer Sadık Taştan. Am Tag vor unserem Gespräch hatte er sein sechsjähriges Betriebsjubiläum. Für die Geschäftsführung einer Klinik, die zu einem so großen Konzern wie die Sana Kliniken AG gehört und in dem Rotationen durchaus üblich sind, sind sechs Jahre eine vergleichsweise lange Zeitspanne.
Diese Zeit hat Sadık Taştan genutzt, um das Haus auszubauen, das Team zu erweitern und das Einzugsgebiet zu vergrößern. Der Großteil der Patienten kommt aus Sachsen und Brandenburg. Doch immer wieder kommen Patienten auch aus Nord- oder Süddeutschland, selbst aus dem Ausland. Sie wissen vom guten der Ruf der Klinik oder sind von anderen Häusern als besonders schwierige Fälle in die Hände der Herzspezialisten überwiesen worden. Denn im Cottbuser Herzzentrum treffen sie auf hochqualifiziertes und hochspezialisiertes Personal, das dank modernster Technik und bestem Fachwissen auch scheinbar austherapierten Patienten helfen kann.
Hohe Spezialisierung
Der hohe Spezialisierungsgrad des ärztlichen Personals scheint ein Schlüssel für den Erfolg. Minimalinvasive Operationen, TAVI-Prozeduren, bei denen die künstliche Aortenklappe über einen Leistenzugang implantiert wird oder neuartige Verfahren zur Behandlung von Vorhofflimmern. Für all diese innovativen Verfahren gibt es Spezialisten im Haus. „Ich lege Wert darauf, dass jeder Kollege sich auf einem Gebiet spezialisieren kann. Dadurch sind wir in bestimmten Bereichen deutschlandweit spitze“, sagt Prof. Dr. Dirk Fritzsche, seit 2010 Ärztlicher Direktor und gleichzeitig Chefarzt der Klinik für Herzchirurgie. Dieses Prinzip kommt einerseits den Patienten zu gute, die hier auf Mediziner treffen, die auf ihrem Fachgebiet hochspezialisiert sind. Die Möglichkeit der Spezialisierung wissen aber auch die Ärzte selbst zu schätzen. Sie sind national und international auf Kongressen unterwegs, informieren sich über neueste Behandlungsmethoden, berichten über ihre eigenen Erkenntnisse. Mit mehr als 80 Publikationen in den vergangenen 10 Jahren hat das kleine Haus einen überraschend hohen wissenschaftlichen Output, der sich durchaus mit universitären Leistungen auf Augenhöhe messen lassen kann.
Das führt zu einer hohen Zufriedenheit und zu einer engen Bindung an das Haus. Wird eine Stelle im ärztlichen Bereich ausgeschrieben, gibt es in der Regel zwei Dutzend Bewerbungen. Wer es ein Mal ins Team geschafft hat, der bleibt auch. So wie Dr. Tomasz Stankowski. Vor sechs Jahren kam er als Assistenzarzt ans Cottbuser Herzzentrum. Zuvor hatte er Medizin in Breslau studiert. Während seiner Famulatur konnte er in mehreren Kliniken Praxiserfahrungen sammeln, darunter auch in großen renommierten Kliniken. Eines der Praktika führte ihn für zwei Wochen nach Cottbus. Noch bevor das Praktikum zu Ende war, gab er seine Bewerbung für die Assistenzarztstelle ab. „Ich habe mich hier sofort wohlgefühlt. Während man in großen Kliniken als Praktikant oder Assistenzarzt nur einer von vielen ist, kenne ich hier alle Kollegen mit dem Namen“, weiß Dr. Tomasz Stankowski die familiäre Atmosphäre im Team zu schätzen. „Wir kennen uns gut, helfen uns gegenseitig und tauschen auch mal Dienste.“ Man trifft sich nach Feierabend. Durch die Sana-Laufgruppe, die Teilnahme am Drachenbootrennen oder einen gemeinsamen Skiausflug sind aus Kollegen Freunde geworden. Das jährliche Sommerfest wird ganz bewusst für die Familien geöffnet und ermöglicht eine weitere private Ebene.
Hohe Arbeitgeber-Identifizierung
„Wir beklagen uns nicht über den Fachkräftemangel, sondern schauen, was wir selbst machen können“, beschreibt Geschäftsführer Sadık Taştan die besondere Philosophie des Hauses. „Durch gute Infrastruktur, personelle Ausstattung und moderne Technik ermögliche ich meinem Team gutes Arbeiten.“ Außerdem legt er großen Wert darauf, dass sich die Mitarbeiter regelmäßig qualifizieren können. Assistenzarzt Dr. Tomasz Stankowski durfte von Beginn an Verantwortung übernehmen, steht regelmäßig im OP und kann seine Ergebnisse aus der klinischen Forschung publizieren. Wenn er fachliche Fragen hat, ist sein Mentor Prof. Dr. Dirk Fritzsche jederzeit ansprechbar. „Das kenne ich aus anderen Häusern auch anders“, formuliert der Assistenzarzt das nicht immer kollegiale Mitein-ander in großen, anonymen Teams diplomatisch. Man spürt im Haus ein Wir-Gefühl – hier grüßt sich jeder, unabhängig von Titel oder Berufsabschluss. Es ist das, was phrasenhaft gern „flache Hierarchien“ genannt wird. Am Cottbuser Herzzentrum jedoch ist es keine Phrase, sondern gelebter Alltag. Wer dieses Wir-Gefühl einmal kennen- und schätzen gelernt hat, möchte auch nicht mehr weg. Das gilt auch für den jungen Assistenzarzt Dr. Tomasz Stankowski.
Schon heute freut er sich auf den möglichen Status als Uniklinik. Wenn eines der größten Strukturwandel-Projekte, nämlich die geplante staatliche Unimedizin in Cottbus, Wirklichkeit wird, dürfte auch das Herzzentrum eine wichtige Rolle spielen. Bisher hat jede Uniklinik in Deutschland eine Herzchirurgie, insofern ist davon auszugehen, dass dies in Cottbus nicht anders sein wird und dass auch hier auf die vorhandene Expertise gesetzt wird. „Wir haben das Team dafür und vor allem: Wir haben Lust darauf. Wir sind bereit, unseren Anteil zu tragen“, freut sich Geschäftsführer Sadık Taştan.
Hohe Auslastung
Die Cottbuser Spezialklinik ist in den zurückliegenden Jahren stetig gewachsen. Mitte der 1990er Jahre begann die Erfolgsgeschichte mit 60 Mitarbeitern und 500 Operationen jährlich, heute versorgen 350 Mitarbeiter jährlich 4.600 Patienten. Allein im Jahr 2019 wurden etwa 2.600 Operationen durchgeführt. Auf die steigende Nachfrage folgte die bauliche Erweiterung. 2018 konnte der neue Hybridsaal eingeweiht werden, der drei Jahre später bereits voll ausgelastet ist. Mit Blick auf die demographische Entwicklung in Deutschland – die Menschen leben länger und selbst hochbetagte Patienten können heute herzmedizinisch versorgt werden – geht der Geschäftsführer davon aus, dass der Bedarf auch künftig vorhanden ist. Gleichwohl bleibt das Herzzentrum ein Haus der kurzen Wege. Allein der eingeschossige Bau und damit die fehlende Notwendigkeit eines Aufzugs spart Wege und damit Zeit.
Eines der neuesten Projekte im Haus soll dem Personal perspektivisch noch mehr Zeit für die Patienten ermöglichen. Die Einführung eines Patienten-Daten-Management-Systems soll die Papierakte durch eine digitale Patientenakte vollständig ablösen (siehe Beitrag auf Seite 18/19). Immer im Fokus solcher Innovationen steht das Wohl der Patienten. Das gilt auch für die aktuelle Bauinvestition im Haus: die Modernisierung und Erweiterung des Patientenaufenthalt- und Wartebereichs. Sana investiert hier eine Million Euro. „Nach 25 Jahren war es an der Zeit, diesen Bereich für die Patienten so zu gestalten, dass sie sich schon bei der Ankunft in unserem Haus gut aufgehoben fühlen“, sagt der Geschäftsführer. Das Herzzentrum investiert darüber hinaus durchschnittlich 2 Mio. Euro im Jahr in Medizintechnik, um den umfangreichen Medizingerätepark immer hochmodern zu halten.
Hohe Patientenzufriedenheit
Dies ist offenbar das zweite Geheimnis des Erfolgs: Von der Terminvereinbarung über die Aufnahme bis hin zur Entlassung und Nachsorge steht immer der Patient im Fokus. Der Servicegedanke spiegelt sich beispielsweise im Aufklärungsgespräch wider, das auch mal zwei Stunden Zeit in Anspruch nehmen kann. In großen Kliniken, in denen die Patienten im Schnelldurchlauf abgefertigt werden, ist das kaum möglich. Hier nehmen sich die Ärzte bewusst diese Zeit, so der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Fritzsche: „Gerade vor einem großen Eingriff, hat der Patient oft Ängste. Die nehmen wir ernst und gehen auf jede Frage ein. Schließlich schenkt uns der Patient sein höchstes Gut: sein Vertrauen.“ Zugleich verweist er auf die Teamleistung aller Kollegen, die das erst möglich macht. Auch die Kollegen in der Pflege sind hoch engagiert: „Wenn ich im Haus unterwegs bin, stelle ich immer wieder fest, dass sich unser Pflegepersonal so um die Patienten kümmert, wie man es sich für die eigene Oma oder den eigenen Opa wünschen würde“, berichtet Sadık Taştan.
Dieses große Engagement des Teams wird gewürdigt. Einerseits durch die Patienten selbst: Die Weiterempfehlungsquote in den großen Portalen liegt bei knapp 100 Prozent. Andererseits durch die Geschäftsführung: Die Corona-Prämie, mit welcher der Bund den Einsatz für die Behandlung von Covid19-Patienten würdigt, kam auch dem Kollegium am Herzzentrum zu gute, immerhin eine Summe von insgesamt 100.000 Euro. Das Geld ging nicht nur an das Pflegepersonal – das ärztliche Personal war bei der Prämie vom Bund nicht vorgesehen – sondern auch an die Kollegen der Reinigung, der Küche, vom Einkauf und der Technik. „Es war mir ein Herzensanliegen, dass wirklich jeder Mitarbeiter etwas davon hat, denn diese besondere Zeit war nur dank des Engagements aller Berufsgruppen zu schultern“, so Geschäftsführer Sadık Taştan. Dem liegt eben jener Gedanke zugrunde, der offenbar eine weitere Zutat für das Erfolgsrezept der Klinik ist: Jede und jeder Einzelne im Team trägt seinen Anteil bei.