Vesselin Michailov den Ruf an die Cottbuser Uni erhört, in einen futuristischen, markant rotfarbenen Bau einzieht, und jenes auf beständiges Werden getauftes Ensemble in eine nicht enden wollende Aufwärtsspirale versetzt.
Als Vesselin Michailov in dem Mittelstädtchen Targovischte in Ostbulgarien aufwuchs, gab es bereits eine fast schicksalhafte Verbindung in die Pücklerstadt, von der er damals nichts ahnte. Sie war und ist Partnerstadt von Cottbus, in dem er heute zu jenen zählt, die an der Hochschule die Zukunft für die Stadt und die Region erdenken. Dabei zieht er seinen Kreis weit um die Stadt und sorgt sich mit seinesgleichen um rund 50.000 Arbeitsplätze in der Lausitz. Der Ort seines Wirkens erhält eine geradezu magische Bedeutungsebene.
Panta Rhei – alles ist im Werden, in unaufhörlicher Bewegung. Die Formel, die auf den griechischen Philosophen Heraklit zurückgeführt wird, zeugt von beständigem Wandel. Das passt zur Lausitz. Im Jahr 2000 verband man an der Cottbuser Universität mit dieser Formel allerdings die Hoffnung, ein neues, signalrot strahlendes und futuristisches Bauwerk mit einem positiven Impuls an den Start zu bringen. Doch vier Jahre lang bewegte sich erst einmal wenig. Dann kam Vesselin Michailov nach Cottbus.
Der Bulgare hatte zuvor in Varna und Sankt Petersburg studiert, wo er auch promovierte. Zurück in der Heimat, wurde der hochbegabte Wissenschaftler Abteilungsleiter der Akademie der Wissenschaften in Sofia. Ein Humboldt-Stipendium brachte ihn schließlich nach Deutschland, wo er zuerst an der TU Braunschweig und später in Freiburg im Breisgau lehrte und forschte. Sein Forschungsgebiet, die Werkstoffmechanik, machte ihn zum gefragten Experten. Andere Hochschulen klopften an die Tür – er folgte im Jahr 2004 dem Ruf nach Cottbus. Es war der Neustart voller Gestaltungsmöglichkeiten, der ihn faszinierte. Er gründete den Lehrstuhl Fügetechnik und begann mit den Kollegen, das Panta Rhei mit Leben zu füllen. Heute ist die gleichnamige gemeinnützige GmbH stärkste Forschungseinrichtgung an der BTU. Allein sein Lehrstuhl verfünffacht die vom Land zur Verfügung gestellte Grundfinanzierung mit durchschnittlich 1,3 Mio. EUR Drittmitteln pro Jahr. Mit einem 30-köpfigen Team forscht er hier inzwischen an der Zukunft. Die Projekte reichen von der Grundlagenforschung mit verschiedenen Universitäten über große Bundesprojekte des BMBF bis zur Forschung für Konzerne wie VW, Siemens, Bosch, Daimler oder BMW. Inzwischen spielt die Panta Rhei sogar auf europäischen Plattformen mit. Heute fährt ein Stück der Cottbuser Erfolgsformel in unzähligen Automodellen mit, weil hier in einer Kooperation mit Bosch und mittels photonischer Verarbeitungstechnologien Einspritzventile für Motoren eine neue Effizienz erlangten. In einem weiteren Bereich wird das Leben einfach leichter gemacht – mit neuen, ultraleichten Werkstoffen und materialsparenden Verfahren. Bis hin zu Digitalisierungsprojekten mit angewandter Informatik reicht das Spektrum.
Der Blick von Vesselin Michailov richtet sich aber immer stärker auf die Region, auf seine neue Heimat. Hier verbinden ihn Konzepte und Projekte mit Unternehmen wie der SMT Forst oder KSC Anlagenbau, mit denen er gerade ein Großprojekt im Leichtbau erfolgreich abschließen konnte. Für den Wandel der Lausitz hat er mit SpreeTecNext ein Netzwerk für rund 40 regionale Unternehmen ins Leben gerufen, die er durch Technologietransfer mit neuen Anwendungen im Metall- und Kunststoffbereich fit machen möchte. Der Kreis, den er zusammen mit seinem Kollegen Holger Seidlitz um sich zieht, gibt Hoffnung für 50.000 Arbeitsplätze in diesen Lausitzer Unternehmen. Gemeinsam wollen sie für den Mittelstand übertragen, was in großen Linien wie CO2-armen Industrieprozessen erforscht wird. Die Erkenntisse landen so schnell in der Wirtschaft und können innovative, ökologische Produkte made in Lausitz generieren. Erste Technologiezentren entstehen gerade direkt in Unternehmen wie der KSC Anlagenbau und SMT Forst, die Wissenschaft wird Teil der Firmen.
Pückler lernte er sehr früh und lebendig kennen, denn Fürst Pücklers Urgroßneffe, Hermann Graf von Pückler, war Ehrensenator an der BTU. Die Parkanlagen, das Schloss und die Pyramiden zählen seit 16 Jahren nun zu seinen liebsten Orten in der Pücklerstadt. Und noch eins hat der Wissenschaftler, der in halb Europa Spuren hinterließ, mit Pückler gemein: nach seiner Heimat gefragt, antwortet er überzeugt „Ich bin Europäer“! Ein wahrer Cosmopolit, wie einst der schillernde Fürst. Und ein guter Grund für die Pücklerstadt, die Partnerschaft zum ostbulgarischen Targovischte fleißig zu pflegen. Vielleicht folgt ein weiterer, so verrückter Gestalter den Fußstapfen eines Vesselin Michailov.