Wie Oleg Rebrov zwischen Kartoffeln und Traktor zur Technikfaszination fand, seinem Gespür für eine aufziehende Dunkelheit in Russland folgte, nach Cottbus aufbrach und von hier aus nun mit etwas Glück seine stilvollen Schreibtische bis nach Dubai exportiert.
Oleg Rebrov zählt zu jenen Russen, die bereits vor der Eskalation des Ukrainekriegs ihre Koffer packten. Die Pücklerstadt bot ihm Zuflucht und einen Studienplatz – und könnte, so alles gut geht, durch ihn nun mit einem innovativen und international expandierenden Unternehmen belohnt werden. Was das auch mit einem unsichtbaren Tassenwärmer zu tun hat, erzählt diese Geschichte.
Oleg wurde im Jahr 1990 mitten in den Zerfall der Sowjetunion hineingeboren. Seine Eltern lebten und arbeiteten in Moskau, seine Kindheit verbrachte er aber so oft es ging samt Vater bei den Großeltern auf dem Dorf. Die Großstadt war ihm schon immer fremd. Zwischen unzähligen Kartoffeln und Landtechnik entdeckte er schon in jungen Jahren seine Faszination fürs Technische. In der Mangelwirtschaft musste die Familie ohnehin alles selbst reparieren – und so wurde Oleg mit seinem Vater zum Tüftler und kleinen MacGyver. Während der letzten Schuljahre nutzte er eine handwerkliche Ausbildung und studierte nach Abschluss der 11. Klasse an einer Moskauer Universität Maschinenbau. Es war das erste Jahr, in dem nach dem Bologna-Prozess auch in Russland in vier Jahren zum Bachelor oder sechs Jahren zum Master studiert werden konnte. Wie die meisten Russen wählte Oleg das Vertraute und studierte in fünf Jahren zum Specialist. Bei seinem Start ins Berufsleben schien alles möglich – schnell fasste er in der Metall- und Möbelindustrie Fuß. In einem Unternehmen startete er in der untersten von drei Kategorien, von der jede wiederum drei Abstufungen hatten – und arbeitete sich in drei Jahren zum Hauptingenieur an die Spitze der obersten Kategorie. Das Unternehmen produzierte mobile medizinische Module fürs Militär, die er von Mechanik auf Automatisierung trimmte.
Einem Konflikt folgte der Versuch, ein eigenes Business aufzubauen – das sich nach der Krimannexion durch zunehmenden Druck mit Bürokratie, Korruption und Verdrängung in die Halblegalität immer schwieriger gestaltete. In dieser Zeit entstand die Idee zu einem einzigartigen Schreibtisch, den er so nirgends finden konnte. Parallel wurde die Präsenz von Staat und Polizei aber immer spürbarer. Er lernte Deutsch und zog bereits 2019 ohne Rückfahrtticket nach Cottbus um – die Möglichkeit zu einem internationalen Studium lieferte die Option zur vorsorglichen Flucht. Damals war sein erster Sohn gerade ein Jahr – und in der Hoffnung auf ein neues, freies Leben hatten sie ihn Mark getauft. Auch seine Frau, deren Wurzeln in Luhansk im Donbass liegen, war froh über die neu erlangte Freiheit.
Dem Masterstudium in Cottbus folgte gleich nach Abschluss die Gründung der eigenen Firma „Deskler“ – und dann die persönliche Katastrophe eines Perfektionisten bei der Umsetzung einer großen Idee. Die Vision von einem stilvollen Schreibtisch mit ausgeklügelter Elektronik und exklusiven Materialien verschlang zwei Jahre und sämtliche Reserven der Familie. Beim ersten Modell kamen viele Fertigteile zur Anwendung, die kaum kompatibel waren und viele Kompromisse erforderten. Heute sorgt Oleg selbst für Elektronik, Design, Konstruktion und Materialien. Seine Anforderungen an Zulieferer sind komplex, alles ist individuell und erfordert CNC und weitere Technologien. Passende Partner fand er in Litauen, der Türkei, Polen und China. Die Tische mit umlaufender LED-Beleuchtung, unsichtbarem Tassenwärmer und Handycharger in der Tischplatte und beeindruckenden Lösungen verbergen sämtliche Kabelführungen in einer extrem flachen Sandwichkonstruktion unter der Tischplatte. Das Topmodell Scada passt semantisch bestens zum skandinavischen Design und dem eleganten Minimalismus voller Funktionalität – abgerundet durch edle Oberflächen, die mit Glas, Fenix oder hochwertigem Holz erhältlich sind. Regionale Partner wie Die Einrichter und ICO in Cottbus haben die Tische bereits im Vertrieb, bis jetzt sind rund 60 Modelle verkauft. Seit Jahresbeginn folgten der Präsentation auf einer Möbelmesse viele Telefonate mit einem Interessenten in Dubai, der bis zu 3.000 Tische bestellen möchte. Das wäre der Lohn für viele Entbehrungen – und dann will Oleg endlich den kleinen Arbeistraum der Familienwohnung in der Spremberger Vorstadt gegen eine Manufaktur tauschen.
Noch arbeitet er daheim, wo sich seine Frau nebenan um Marketing, Social Media und die inzwischen zwei Söhne im Alter von ein und fünf Jahren kümmert. Die beiden fühlen sich in der Pücklerstadt wohl, haben eine tolle Community gefunden und sind beeindruckt vom Aufbruch der Region und der Lust auf Neues. Wobei Oleg nur selten einen Blick dafür hat und meist von früh bis spät in Arbeit versinkt – zumindest das hat er mit dem fleißigen Pückler gemein.
Foto links: Oleg Rebrov mit Fau und seinem stilvollen und technologisch ausgefeilten Topmodell Scada.