Wie Magdalena Werhun einem TuTu zum Ballett folgte, durch puren Zufall in der Pücklerstadt landete, der Liebe wegen blieb und ihre Leidenschaft nun mit einem kleinen Prinzen krönt.
Als Magdalena Werhun eine entfernte Cousine das erste Mal im TuTu in der Warschauer Oper tanzen sah, war es um die Neunjährige geschehen. Das wollte sie auch, mit Spitzenschuhen und Tüllröckchen auf die große Bühne. Der Traum von der Ballerina sollte sie durch Opernhäuser in Europa und schließlich in die kleine Pücklerstadt führen, wo nun viele Mädchen ihrem Weg auf die Bühne folgen. Dabei sollte sie eigentlich eine erfolgreiche Sportlerin werden.
In Stettin geboren, führte sie ihr Bewegungsdrang zuerst zur rhythmischen Sportgymnastik. Ein Weg, der bereits im Kindesalter von vielen Medaillen gepflastert war, aber mit Wirbelsäulenproblemen endete. In diese Zeit fiel der magische Moment beim Familienbesuch in Warschau – und so wechselte sie mit zehn Jahren in die staatliche Ballettschule nach Danzig. Hier tanzte und lernte sie neun Jahre bis zum Diplom als Bühnentänzerin. Mit 19 Jahren hatte sie das Ticket für die Bühnen dieser Welt in der Tasche.
Frisch nach dem Abschluss erhielt sie gleich beim ersten Vortanzen in der Warschauer Oper ein Engagement – genau hier, wo zehn Jahre zuvor ihre Liebe zum Ballett entfacht wurde. Zuerst kam sie in der Partywohnung einer Lebenskünstlerin unter, zog dann aber in eine eigene, kleine Wohnung um. Vier Jahre währte ihre Warschauer Zeit zwischen Schwanensee, Nussknacker, Vernissagen und Großstadtflair. Dann wollte sie die Welt sehen und fuhr spontan zum Vortanzen nach Rotterdam, wo sie prompt eine Rolle in „La Traviata“ erhielt, einem großen Opernprojekt vor einer beeindruckenden Kulisse von 9.000 Zuschauern.
Der Eroberung der Welt folgte ein Heimspiel in der Stettiner Oper, wo sie für ein Jahr als erste Solotänzerin an der Oper blieb. Die innere Unruhe trieb sie über eine Gastrolle in einem Züricher Theater nach Berlin, wo Freunde im Ensemble des Friedrichstadtpalastes mittanzten. Die freizügige Revue war nicht ihr Ding, in einer Zeitung entdeckte sie aber eine Anzeige des Theaters im nahen Cottbus, wo Tänzer gesucht wurden. Sie fuhr aus Neugier nach Cottbus, und als sie aus dem Zug stieg, war sie verwundert über die kleine Stadt. Nach Warschau, Rotterdam, Zürich und Berlin kam dieser Flecken für die großstadt- und kulturverliebte Polin nicht infrage. Das Theater war nur zehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt, so tanzte sie trotzdem vor und erhielt prompt ein Engagement. Für ein Jahr, so sagte sie sich, kann sie dieses Abenteuer der anderen Art ruhig eingehen. Cottbus wurde die Liebe auf den zweiten Blick. Kurz vor dem geplanten Weggang aus der Pücklerstadt sollten sich dank „Peter und der Wolf“ ihre Lebenspläne ändern. Sie stand auf der Bühne, ein junger, attraktiver Mann unter den Zuschauern fiel ihr auf und er fand offensichtlich auch Gefallen an ihr. Zwei Wochen später saß er wieder in der ersten Reihe und ließ sich kurz darauf von einem Freund in eine Premierenfeier des Theaters einschleusen. Die Liebe zum Theater und Ballett verband sie schnell, in Spaziergängen und vielen Treffen wuchs sie zu einer sehr innigen Liebesgeschichte. Die Pücklerstadt hatte ihr Herz erobert. Drei Jahre später kam ihre Tochter Matylda zur Welt. Vielleicht war es die Mutterrolle, die sie neu über die Zukunft nachdenken ließ. Sie wollte etwas Solides für später und ging nach Dresden an die renommierte Palucca Schule. Dort studierte sie in drei Jahren zur Diplom-Tanzpädagogin und tanzte nebenher an der Staatsoperette in Dresden. Zum Glück inszenierte dann ausgerechnet der dortige Choreograph ein Stück am Cottbuser Theater, er nahm Magdalena samt Familie mit auf diese Reise zurück in die Zukunft. Sie blieb erneut, wurde als Tanzpädagogin in verschiedenen Ensembles engagiert, merkte aber schnell, dass sie etwas Eigenes aufbauen möchte. Im Frühsommer 2010 erblickte ihre Ballettschule Werhun mit einer kleinen Gruppe von fünf angehenden Ballerinas das Licht der Welt. Die besondere Qualität sprach sich herum, aus 5 Kindern sind heute 100 Tanzschüler in sechs Kinder- und zwei Erwachsenengruppen geworden, die Warteliste wird immer länger. Im Jahr 2015 fuhr sie erstmals zu Wettbewerben, und belegte im internationalen Bundeswettbewerb auf Anhieb den 4. Platz. In weiteren Bundeswettbewerben folgten erste und zweite Plätze. 2016 ging es sogar zu den Weltmeisterschaften nach England, wo sie zwölftbeste Ballettschule der Welt wurde. Im letzten Jahr sollte es etwas Neues sein – auch beim Wettbewerb „Jugend tanzt“ wurde sie mit ihren Ballerinas Erste im Regional- und Zweite im Bundeswettbewerb. Heute gilt die Ballettschule Werhun als eine der besten Deutschlands. Zum zehnjährigen Jubiläum wird es nun ein richtiges Spektakel geben. Im September 2020 werden alle 70 Kinder ihrer Ballettschule das Tanzspektakel „Der kleine Prinz“ aufführen. Sie nennt es ihr Lebenswerk, mit feuchten Augen vor innerer Rührung – ihr eigenes Gastspiel, das sie zurück ans Staatstheater bringt, wo ihr Weg in der Pücklerstadt einst begann.
Die Liebe zur Pücklerstadt ist in ihr vor allem durch die Liebe zum Ballett und zu den Kindern ihrer Schule gewachsen. Von der kleinen Ballerina zum kleinen Prinzen, das hätte sicher auch unserem kulturverliebten Branitzer Fürsten gefallen.