Wie Mirko Wohlfahrt als neunjähriger Steppke das erste Mal am Turnier der Meister® teilnimmt, nie auf dem Treppchen steht – und die Pücklerstadt dennoch nach Olympia führt.
Dass seine Stadt einst zum Gradmesser für Olympiateilnehmer wird, hätte Fürst Pückler sicher gefallen. Zu seiner Zeit gab es zwar weder eine Olympiade, noch waren Ertüchtigungen wie der Turnsport unter seinesgleichen sonderlich angesehen, doch der neugierige Pückler hat sich schon damals bei Turnen und Gymnastik ausprobiert und mit seiner Begeisterung für die Unternehmungen der Engländer das Wort Sport in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt. Eigentlich beschrieb er den Sportsmen als Gentleman, der Vergnügungen vielerlei Art mit Leidenschaft und Geschick vorantreibt. Mirko Wohlfahrt wäre in Pücklers Augen sicher ein würdiger Sportsmen.
Jener gebürtige Bautzener hat nämlich einen Löwenanteil zu der bislang größten Erfolgsgeschichte der sportverrückten Pücklerstadt beigetragen. Das ausgerechnet hier, in der ländlichen Provinz, eines der vier wichtigsten Turnturniere der Welt stattfindet, ist ein echtes Novum. Seit 2016 zählt das Turnier der Meister® mit nur drei weiteren Turnieren auf der Welt zum erlesenen Kreis der Turn-Weltcups als Qualifikationswettkämpfe für die laufende Olympiade.
Mirko Wohlfahrt kam als Neunjähriger nach Cottbus, des Turnens wegen. Damals holte Maxi Gnauck einen internationalen Titel nach dem anderen, Turnen stand in der früheren DDR hoch im Kurs. Trotz Einsätzen in Nationaltrikots beider deutscher Staaten, sah sich Wohlfahrt rückblickend als kein internationaler Spitzenturner. Nach Abitur, Studium an der Cottbuser Universität und 13 Jahren Arbeit als diplomierter Ingenieur wurde er zum administrativen „Sportprofi“. Seitdem arbeitet er in Cottbus am Olympiastützpunkt Brandenburg. Hier ist er Mädchen für (fast) alles, und der größte Lohn sind „begeistert leuchtende Augen von Kindern“ und die „die möglichst erfolgreichen Teilnahmen junger Menschen an internationalen Wettkämpfen“. Der Cottbuser „Walk of Fame“ mit 56 olympischen und paralympischen Medaillengewinnern ist ein Beleg für die geschaffenen, guten Rahmenbedingungen, für die idealen Möglichkeiten in Cottbus.
Turnen zählt dabei schon immer zu den sportlichen Leuchttürmen der Pücklerstadt – und das Turnier der Meister® ist seit fast 40 Jahren ein sichtbares Aushängeschild. Als kleiner Junge war Mirko Wohlfahrt im Jahr 1979, beim damals dritten Turnier der Meister®, als stolzes „Schilderkind“ dabei. Später wurde er Nationenpräsentator, dann Sekretär im Kampfgericht, übernahm schließlich die fachliche Beratung bei der Wettkampfregie – und wurde ab 2003 sozusagen Finanzminister des Turniers. 2007 wurde ihm das erste Mal die Gesamtverantwortung als Turnierdirektor übertragen. Den Erfolg schreibt der bescheidene Sportsmen immer dem Team zu, sein Werdegang macht aber deutlich, wie sehr er zur Seele des Turniers gewachsen ist. Und es ist wirklich eine Ehrensache, denn das Turnier wird ausschließlich im Ehrenamt organisiert. Wohlfahrt: „Ich bin ein Kind des Turniers“.
Mit dem Herzblut der Organisatoren wuchs der Ruf des Turniers weit über die Grenzen der Pücklerstadt hinaus und erreichte auch den Weltturnverband. Innovationen der Cottbuser sind inzwischen zum internationalen Standard geworden. Die Krönung dieser Arbeit war der Zuschlag in Rio für eines der jährlich vier weltweit ausgetragenen Weltcup-Turniere für eine Laufzeit von vier Jahren. Es ist somit Bestandteil eines neuen, vom Weltturnverband entwickelten Wettkampfsystems. Die Weltelite des Turnsports kann sich nun über diese vier Weltcup- Austragungsorte für die Olympischen Spiele qualifizieren. Das Turnier bringt seit Langem eine Riege von nationalen-, kontinentalen- und Weltmeistern sowie Olympiasiegern nach Cottbus und macht somit seinem Namen alle Ehre. Bis 3.000 Übernachtungen organisiert das Team von Mirko Wohlfahrt für jedes Turnier. Im November 2018 wurde mit 50 beteiligten Nationen ein neuer Rekord für einen Turn-Weltcup erreicht – und das im weltweiten Maßstab. Mit seinem sportverrückten Team schließt Mirko Wohlfahrt, der sich dankbar für jedwede Unterstützung zeigt, heute einen Kreis, von der damaligen Einführung des Wortes Sport durch Pückler zum heutigen olympischen Glanz. Auch das ist ein erstaunliches Kapitel einer lebenswerten Stadt. Unserer Pücklerstadt.
Turnier der Meister
50 Nationen und 230 Sportler traten 2018 an zehn Wettkampfgeräten gegeneinander an. Die besten acht Sportler pro Gerät erhielten ein Preisgeld in Höhe von insgesamt 32.500 Sfr.