Oder wie Vlatko Knezevic in Studium und Beruf auf die richtigen Themen setzt, Energieunternehmen ausrichtet und saniert – und nebenher beim Tauchen, Hausbau und auf dem Motorrad die Leichtigkeit des Seins findet.
„Ein Haus ist eine Arche, um der Flut zu entrinnen.“ – hätte Katherine Mansfield in ihrem kurzen Leben Vlatko Knezevic kennengelernt, sie hätte in ihrem Zitat eine völlig neue Bedeutungsebene entdeckt. Jener baut nämlich seit zwei Jahren sein eigenes Haus, von Grund auf und meist nur mit eigenen Händen, ganz einfach als körperlichen Ausgleich zum mental fordernden Job und den Fluten des Alltags. Das neuerliche Projekt passt zum Pragmatismus in seinem Leben, um dessen Fluss in einer steten, ruhigen und zuversichtlichen Strömung man ihn fast beneiden mag.
Dabei sah es am Ende seiner Kindheit und Jugend mit dem Ausbruch des Kriegs in seiner damals noch jugoslawischen Heimat auch nach einem Ende der Leichtigkeit aus. Aufgewachsen in der Großstadt Zenica, die sich unweit von Sarajevo in einem langen Tal zwischen den bewaldeten Gipfeln der Dinariden erstreckt, prägten bis dahin Skifahrten, Tennis und vor allem Rugbysport sein Leben. Es war unbeschwert. Bis zum Abschluss seines Abiturs, das mit dem Kriegseinbruch einherging. Mit der wohl jedem Kroaten eigenen, bewundernswerten Selbstsicherheit brach er mit 18 Jahren und völlig ohne Sprachkenntnisse auf nach Deutschland, lernte Deutsch und begann in Mannheim ein Studium zum Wirtschaftsingenieur. Schon im damaligen Nebenjob bei einem Ablesedienst für Heizkosten und Wasser setzte die erste Strömung eines neues Lebensflusses ein. Er half bei der Umsetzung von Datenbanken für eine Software, deren Einführung zum Jahrtausendwechsel noch heute als einer der wichtigsten Meilensteine auf der Webseite der Firma zu finden ist. Das Interesse an Versorgungsthemen wuchs in ihm, die Mannheimer Versorgungsbetriebe wurden zur ersten beruflichen Station. Das war inmitten der beginnenden Liberalisierung der Strommärkte. Als Trainee im neu eingerichteten Vertriebsbereich baute er Logistik und Vertrieb für einen Markt auf, den es zuvor nicht gab. Nebenher absolvierte er ein MBA-Studium – und mit der raren Kompetenz im Stromvertrieb wurde er Mitte der 2000er-Jahre Geschäftsführer bei eprimo, damals größter Konkurrent von Yello Strom. Er baute das Start-up bis zum Verkauf an RWE auf – dann sollte nach extrem arbeitsreichen Jahren ein Jahr Urlaub folgen, in warmen Gewässern tauchen, die Seele baumeln lassen. Der Ruf nach Cottbus, der ihm nur zwei Monate Ruhe vergönnte, sollte aber alles ändern. Die angeschlagenen Stadtwerke der Pücklerstadt schienen damals kaum zu retten – die Herausforderung einer Sanierung war für Vlatko Knezevic einfach zu verlockend. Ein neues, interessantes Projekt! Als er zum ersten Termin in Cottbus erschien, war die Einfahrt symbolisch für die folgenden Jahre: Anfangs säumten Schlaglöcher und unsanierte Plattenbauten den Weg, es folgten im Zentrum erste sanierte Jugendstilhäuser und schließlich tauchte er zum Termin ins fast französische, lebensfrohe Flair des Altmarkts ein. Der Job bei den Cottbuser Stadtwerken gleicht dieser Triade. Seinem Einstieg im Jahr 2008 folgten zweieinhalb Jahre voller Stromschnellen und Klippen, bis 2010 gegen alle Vermutungen eine Sanierung der Stadtwerke möglich wurde. Die Folgejahre wurden gute Jahre für das Unternehmen, trotz zunehmender Regulierung des Strommarkts. Nun, mit den Chancen des Strukturwandels, kitzelt es Vlatko Knezevic erneut: mit einer innovativen Seewärmepumpe will er eine Pionierlösung für grüne Energie und Wärme in Cottbus schaffen.
Dass es überhaupt zu diesem Projekt kommen kann, ist einer Cottbuserin zu verdanken. Eigentlich hätte der Kroate nach erfolgter Sanierung der Stadtwerke die nächste Herausforderung anderswo in Angriff genommen. Sein Lebensfluss reiht auch im Privaten viel Treibgut aneinander. Zuerst waren es Touren mit dem Rennrad, es folgte das Tauchen und bis heute bekommt er bei Touren auf dem Motorrad den Kopf frei. Natürlich ist es keine Harley, kein oberflächliches Etikett, kein Wollen – sondern mit einer Indian mehr Charakter, mehr Sein. Genau das hat wohl jene Cottbuserin fasziniert, die er 2015 kennenlernte, 2018 heiratete und mit der er nun gemeinsam das eigene Haus baut. Das hat er selbst mit CAD-Software konstruiert, Rohbau und Dach sind fertig, Innenausbau und Fassade brauchen noch den letzten Schliff. Das Haus ist Hobby, Alltagsflucht, Lebensfluss, ohne jegliche Aufregung, Überhöhung und Spiritualität.
Zumindest darin ist er von Pückler als Meister der Selbstinszenierung Welten entfernt. Obwohl ihm dessen Park Branitz von Anbeginn ans Herz gewachsen ist. Er nennt ihn eine „imposante Freilichtbühne“. Beim ersten Anblick waren die grünen Pyramiden der unerwartete Wow-Effekt. Passend zu den Branitzer Wasserläufen scheint auch sein Lebensfluss in der Pücklerstadt in eine ruhige Lagune, einen sicheren Hafen zu münden.