Wie René Serge Mund erst familiär in Deutschland und dann gleich drei Mal beruflich in der Leitung des Staatstheaters der Pücklerstadt „adoptiert“ wurde.
Der kreative Treibstoff für René Serge Mund sind 15 bis 20 Espresso am Tag. Im Spätsommer 2018 kam er das dritte Mal des Staatstheaters wegen in die Pücklerstadt. Inmitten einer Krise, die das Haus in einem halben Jahr die gesamte Führungsebene kostete, soll er das Schiff aus den Stürmen in ruhiges Fahrwasser führen. Man muss schon etwas verrückt sein, den Ruhestand gegen diesen kulturellen Wellengang einzutauschen. Mit ihm kam auch „sein“ Brecht ein drittes Mal nach Cottbus.
Der Weg in den Osten öffnete sich für den Malteser durch den Mauerfall. Neugierig auf Dinge hinter dem Horizont war er schon als kleines Kind. Bereits als siebenjähriger Steppke war ihm Malta zu klein. Den Ruf des kleinen René nach der großen Welt nahm da wohl kaum jemand ernst. Er wuchs aber, und mit 20 Jahren ließen seine Eltern ihn schließlich ziehen. Ein mit der Familie befreundetes Pärchen in der Nähe Kölns gab ihm ein neues Zuhause und seinen zweiten Nachnamen. Serge brachte er aus Malta mit, Mund kam mit der Adoption in Deutschland hinzu. Familie Mund betrieb ein Tourneetheater, das aber keineswegs die Initialzündung für eine kulturelle Laufbahn war. Den jungen Serge Mund interessierten vielmehr Finanzen und ökonomische Zusammenhänge. Nach einer Banklehre arbeitete er als Devisenhändler in Frankfurt am Main, studierte dann in Berlin, Kiel und Oxford Volkswirtschaftslehre und Theaterwissenschaften und war anschließend bei der EU in Brüssel und in Washington D.C. beim Internationalen Währungsfonds tätig. Er war an seinem vermeintlichen Ziel angelangt.
Doch genau hier entschied er sich plötzlich anders. Spontane Veränderungen begleiten seitdem sein Leben. Er ging zurück in die deutsche Provinz und übernahm die Geschäftsführung im kriselnden Theater seiner Adoptiveltern. Nach vier Jahren wurde ihm diese Welt zu klein. Er stieg aus und legte ein Jahr „Nichtstun“ ein. Diese Phasen sollten typisch für ihn werden und sowohl ihm als auch den nachfolgenden Wirkungsstätten guttun. Mitten in diese Ruhephase platzte der Mauerfall, jener 9. November, an dessen Folgetag er den letzten Sitz eines Berlin-Flugs ergatterte und inmitten des Chaos unendliche Möglichkeiten witterte. Er knüpfte Kontakte und landete wenig später als Geschäftsführender Direktor am Berliner Ensemble. Hier stieß Bertolt Brecht zu ihm, in Form einer Lebensmaske, die ihm ein ebenfalls am Berliner Ensemble tätige bekannter Bildhauer schenkte. Zum Glück, möchte man nachträglich meinen, fehlte beiden – dem Malteser und seinem stummen Begleiter – bald am Haus mit Regent Heiner Müller die Luft zum Atmen. So bewarb er sich 1992 beim Cottbuser Theater, dass er vier Jahre als Geschäftsführender Direktor in der politisch und künstlerisch wohl verrücktesten Zeit begleitete. Viel war im Nachwendechaos möglich, und René Serge Mund nutzte die Spielräume einer Zeit. Ganz wie sein Vorbild Regine Hildebrandt in der Politik, die einfach mal machte, statt zu verwalten. Im Laufe der Jahre wurden die Freiräume kleiner. Als der „Wilde Osten“ Mitte der 1990er-in seinen Augen in Cottbus vorüber war, verließ er die Lausitz. Stationen in Potsdam und Thüringen sollte dann ein zweites Mal Cottbus folgen – zwei weitere Sabbat-Jahre im Nichtstun lagen zwischen den Stationen.
Die erste Rückkehr in die Pücklerstadt ist einzig der Hartnäckigkeit Martin Schülers zu verdanken, der René Serge Mund aus seiner ersten Zeit am Staatstheater schätzte und nach mehreren Gesprächen wohl die richtigen Knöpfe drückte. So zog der Malteser samt Brecht ein zweites Mal gen Cottbus. Es sollte die längste Station in seinem bewegten Leben werden, acht Jahre blieb er – bis zu seinem Ruhestand. Den wollte er als Freund guter Kultur und Gastronomien in Berlin verbringen.
So richtig kam er dann aber doch nicht zur Ruhe. Rheinsberg suchte einen erfahrenen Kopf, der die Fusion von Akademie und Kammeroper in die Hände nahm. René Serge Mund wurde gefragt – und schob den Ruhestand noch etwas auf. Nach drei Jahren legte er endlich die Beine hoch, nun sollte es aber endgültig sein! Zeitgleich brach am Cottbuser Theater die Krise aus. Es war eine Mischung aus kultureller Heimat, Verantwortungsgefühl und der richtigen Prise positiver Verrücktheit, die ihn ein drittes Mal Brechts Maske unter den Arm klemmen und in die Pücklerstadt fahren ließ. Er kennt die Strukturen, die Stadt und ihre Menschen sind ihm ans Herz gewachsen. Ein bisschen hat die Stadt ihn adoptiert, als einziger Ort mit drei Akten in seiner Biografie. René Serge Mund Pückler, das hat doch einen guten Klang! Nach einem erneuten halben Jahr in der Pücklerstadt braucht er jedenfalls wieder das Navigationsgerät, wenn es ab und zu nach Berlin geht. Das lässt doch hoffen.