Wie Alexander Chebotarev und Ruslan Politiko zwischen Lottoscheinen und PCs zum Unternehmertum fanden und heute mit einem digitalen Geschäftsmodell in der Pücklerstadt Autohändlern in aller Welt Hoffnung auf bessere Geschäfte machen.
Während nur ein paar Autostunden entfernt ein schrecklicher Krieg zwischen ihren einstigen Brüdervölkern wütet, starten Alexander Chebotarev aus Russland und sein ukrainischer Freund und Partner Ruslan Politiko ins gemeinsame, unternehmerische Abenteuer. Inmitten der Pückler-stadt entsteht trotz tosendem Konflikt andernorts eine hoffnungsvolle Brücke – auch hin zu einem besonderen Geschäftsmodell, das Mobile noch mobiler macht.
Zusammengeführt wurden die beiden im fernen Russland. 1987 in Moskau mitten in die Perestroika hineingaboren, erhielt Alexander Chebotarev von seinen Eltern einen guten Mix aus Struktur und Kreativität. Der Vater ist Künstler, die Mutter Ärztin – die seinerzeit aufkeimende Freiheit führte bei ihm aber schnell zum Traum vom Unternehmertum. Schon in der dritten Klasse nahm das skurrile Züge an – er kaufte massenweise Lottoscheine und verkaufte sie in der Schule weiter, die damit förmlich überschwemmt wurde. Eine Beschwerde der Putzfrau beim Schulleiter beendete das erste Geschäftsmodell, die Leidenschaft war aber entfacht. Ruslan Politiko wurde schon knapp zehn Jahre früher im ukrainischen Cherson geboren, das in der medialen Dauerbeschallung zum Krieg traurige Berühmtheit erlangt hat. Mitte der 1980er-Jahre zog seine Familie nach Westsibirien, sein Vater übernahm in einer Mittelstadt die Verantwortung für die Festnetz- und Mobilfunkkommunikation, seine Mutter leitende Positionen im Einzelhandel. Auch er wollte von klein auf ins Unternehmertum. Mit 15 Jahren gründete er gemeinsam mit Klassenkameraden sein erstes Geschäft rund um den Verkauf und die Installation von Personalcomputern. Privat folgten eine Werkstatt für Autoteile und eine Instandhaltung für Reparaturarbeiten an Häusern und Wohnungen, vor allem arbeitete er aber in großen Unternehmen von Banken bis zu Autohausketten.
Hier kreuzten sich die Wege der beiden. Ein erstes Zusammenspiel für einen Automarktplatz und eine Banking-Plattform führte schnell zu unternehmerischer Sehnsucht nach dem „Autoland“ Deutschland. Sie erkannten das Problem, dass Autovermarkter aufgrund fehlender Online-Transaktionsfinanzierungsdienste bis zu 50 % ihrer Online-Kunden verlieren. Jeder zweite Kunde verlässt die Online-Kanäle, weil er nicht erkennt, welche Autos er sich leisten kann. Autoverkäufer müssen für ein eigenes Online-Finanzierungsmodell aber bis zu 12 Monate und bis zu 500.000 Euro aufwenden, um sich mit einer einzigen Bank zu verbinden.
Gemeinsam entwickelten sie einen Service, der Autoverkäufern innerhalb eines Tages und ohne Integrationskosten eine Online-Finanzierung für ihre Kunden ermöglicht. Diese Idee und der Blick nach Deutschland brachten sie in die Pücklerstadt, in der die ansässige IHK Cottbus seinerzeit eine Ansiedlungsinitiative für Unternehmen aus Russland betrieb. Ihr Geschäft entwickeln sie heute parallel in Cottbus und der Heimat, werden dabei von Investoren aus Deutschland und den USA sowie von Spitzenmanagern aus der Automobilindustrie unterstützt. Ihre Carwyze GmbH hat ihren Sitz in Cottbus und wird ihren Onlinedienst hier in der ersten Jahreshälfte 2023 starten. Bis 2025 soll dieser über 5.000 Autohändlern völlig neue Möglichkeiten für Kundenfinanzierungen erschließen – eine Internationalisierung in Frankreich, Italien, Spanien und weiteren Ländern ist als Folgeschritt geplant.
Die Pücklerstadt ist für das russisch-ukrainische Duo ein schöner Ort zum Leben, auch wenn sie hier noch nicht so viele Menschen kennen. Die Stadt und die Natur sehen sie als idealen Ort für ihren Familienbetrieb, der bereits zur Gründung einen dritten Teamplayer aus Cottbus umfasst und hier kräftig wachsen soll. Beim ersten Besuch im November 2021 war es der Kontrast aus Ruhe, Frieden und Entspannung mit spannender Architektur, der sie begeisterte. Die Nähe zu Berlin, die Universität, exzellente Schulen – all das passt für die Cosmopoliten aus dem Osten Europas genau zu ihrem Unternehmen, das von Cottbus aus mit einem internationalen Team auf den Weltmarkt strebt.
Gleich am ersten Tag ihres Besuchs in jenem November führte ihre kleine Entdeckungsreise sie auch zu Fürst Pückler und seinem Erbe. Das Museum und der Park mit seiner Hommage an die Kulturen und Religionen der Welt komplettierten das Bild einer weltoffenen Stadt – und letztendlich auch ihre Entscheidung, von hier aus wie einst Pückler die Welt zu erobern.