Wie Revana Rudolph für den Tanz gleich mehrfach Städte und Kontinente wechselt, ausgerechnet in der Lausitz mit Folklore zur Botschafterin ihrer brasilianischen Heimat wird und schließlich ihr eigenes Tanzuniversum samt Shows und Castings aufbaut.
Brasilien und Tanz – das muss nicht immer Samba sein. Revana Rudolph träumte schon als Kind im ländlichen Nordbrasilien von einer Karriere als Prima Ballerina auf großen Bühnen statt von Samba in Rio. Genau das sollte sie tatsächlich auch erwarten, aber ganz anders als gedacht.
Die Geschichte beginnt in Maraba, mit seinen über 200.000 Einwohnern in brasilianischen Verhältnissen eher eine Kleinstadt. Hier wächst Revana auf, mit Mango-, Kakao- und Limettenbäumen im Garten und jeder Menge Gemeinschaft. Und mit etwas indianischem Blut in den Adern, erst die Uroma kam aus dem wilden Amazonasdschungel in die Stadt. Die pulsiert im brasilianischen Temperament. Abends treffen sich die Großen vorm Haus, während die Kids auf der Straße spielen, tanzen oder im Regen duschen. Wie alle Brasilianer lernt sie schon in der Schule die Tänze und Folklore ihrer Heimat. Musik, Tanz und Kunst bestimmen das Leben zu Hause, ihr Bruder wird dem Vater folgen, der als Schlagzeuger und Musiker unterrichtet und der wiederum von seinem Vater, einem hervorragenden Trompeter, geprägt wurde. Sie erhält mit 12 Jahren – fast schon zu spät – die nicht mehr erhoffte Chance: ein Stipendium an einer Ballettschule im 500 Kilometer entfernten Belem. Ein Jahr lebt sie bei Verwandten in der Großstadt, dann folgen Mutter und Bruder. Familie gehört in Brasilien einfach zum Leben dazu!
Mit 16 Jahren beginnt ihre Ausbildung im klassischen Tanz, die sie sechs Jahre später vor Prüfern von der Royal Academy of Dance aus London mit Bravour besteht. Sie versucht Kunst zu studieren – bei mehr als 200 Bewerbern auf einen Studienplatz im ersten Anlauf aussichtslos. So wird es ein Jahr Geologie als Überbrückung – und dann klopft ihr Traum von Europa an die Tür. Mehr als Samba liebt sie seit jeher Bach, Tschaikowski, Strawinsky und überhaupt die alte europäische Kultur. Ein Casting für eine Show im Tropical Islands bringt sie drei Monate später mit insgesamt 80 Tänzern aus Brasilien in die Lausitz. In der Show erzählen sie die Geschichte Brasiliens – während sie in der Freizeit in die deutsche Geschichte eintaucht, sich in Dresden und Deutschland verliebt und hier auch ihre erste ganz menschliche Liebe findet. Es wird eine kurze Rückkehr nach Brasilien, dann geht es per Visum zurück in die Lausitz, sie heiratet, landet statt an einer Universität dann aber doch in einer Tanzschule und immer wieder im Tropical Islands, bis hin zur Magier Show mit Peter Valance. Heute ist eine Brasilianerin aus den Tropenshows Patentante ihrer Tochter.
2011 bekommt sie ihr erstes Kind, drei Jahre später das zweite. Es wird der Abschied vom arbeitsintensiven Tropenparadies und der Einstieg in eine Welt aus Minijobs, Verkäuferin bei KIK und schließlich Fitnesstrainerin samt Ausbildung. Erst 2016 fasst sie den Mut, wieder ihrer Berufung zu folgen und gründet im verschlafenen Calau eine Tanzschule. Dann folgen Trennung und Corona – und schließlich das Bedürfnis, einmal auf „Neustart“ zu drücken.
Sie wird Teil einer viel zu teuren Partnerplattform, auf der zwar seriöse, aber allenfalls nette Männer Kontakt suchen. Genau in dem Moment, als sie ihr Profil löschen will, trudelt eine Nachricht ein. Aus ein paar Zeilen wird ein Wochenende in Berlin und in Windeseile eine neue Familie. Steffen Klein, mit überbordendem Temperament wohl der brasilianischste Deutsche, kehrt nach 20 Jahren wirtschaftlicher Erfolgsstory im Westen gerade wieder zurück in die Lausitz. Drei Monate nach dem Kennenlernen beginnen sie ihr neues Leben in der Pücklerstadt. Er streicht in seiner neuen Spremberger Manufaktur den Showroom von der Wunschliste und Revana erhält genau dort im zweiten Anlauf das passende Tanzuniversum. Die Dance Factory zählt bereits ein Jahr später 80 tanz- und sportwillige Kids, Paare und Senioren. Dance Kids, Zumba, Paartanz, sogar Seniorensport – all das gibt es hier mit einer Prise brasilianischem Temperament. Geprägt vom Showbiz im Tropical Islands folgen nun Events, nach Tanzveranstaltungen die erste Brasilianische Nacht, eine Spanische, Französische und viele weitere sollen folgen. Jetzt sitzt sie auf der anderen Seite, führt Regie bei den Shows und castet die Künstler. Jüngst folgte ihr Bruder aus Brasilien, auch Schlagzeuger und Instrumentenbauer, und bringt nun seine Kreativität in die Manufaktur ein. Familie gehört auch bei den Deutsch-Brasilianern einfach dazu! Mit knapp 40 Jahren ist Revana angekommen – in der Pücklerstadt und in ihrem Leben.
Aus Pücklers Universum liebt sie vor allem das Branitzer Schloss – diesen Hauch alter europäischer Kultur. Ihr Lieblingsplatz ist dennoch eher im urbanen Trubel, ein Kaffeehaus am Altmarkt der Pücklerstadt samt multikultureller Gästeschar, wo sie sich unter ihresgleichen fühlt. Bem-vindo!
Foto: Revana Rudolph (links) und Lebenspartner Steffen Klein im Coffeelatte am Cottbuser Altmarkt.